
Stuttgarter Fangruppen fordern Rücktritt des Vorstands – trotz sportlichem Höhenflug
Stuttgart – Der VfB Stuttgart spielt derzeit seine erfolgreichste Bundesliga-Saison seit Jahren, doch abseits des Platzes rumort es gewaltig. Mehrere einflussreiche Fan-Initiativen fordern geschlossen den Rücktritt des aktuellen Vorstands – ein ungewöhnlicher Schritt, der Fragen aufwirft und das Verhältnis zwischen Vereinsführung und Basis auf eine harte Probe stellt.
Am Samstagabend, kurz nach dem 3:1-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt, war die Freude im Stadion nur von kurzer Dauer. Auf der Cannstatter Kurve, dem traditionsreichen Fanblock der VfB-Anhänger, entrollten Ultras großflächige Banner mit der klaren Botschaft: „Erfolg auf dem Platz ändert nichts – Vorstand raus!“ Weitere Transparente mit Parolen wie „Keine Identifikation mit euch“ und „Fußball gehört den Fans“ folgten. Nach Spielende verließen große Teile der aktiven Fanszene demonstrativ frühzeitig das Stadion.
Ein tiefer Riss trotz sportlicher Höhen
Sportlich betrachtet läuft es für den VfB Stuttgart derzeit nahezu perfekt: Der Verein hat sich unter Trainer Sebastian Hoeneß auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle etabliert, spielt attraktiven Offensivfußball und hat sich souverän für die Champions League qualifiziert. Publikumslieblinge wie Serhou Guirassy, Deniz Undav und Chris Führich sorgen Woche für Woche für Begeisterung auf dem Platz. Trotzdem herrscht Unruhe unter den Fans – und die Kritik richtet sich nicht gegen die Mannschaft oder das Trainerteam, sondern gegen die Vereinsführung.
Im Zentrum der Kritik stehen Vorstandsvorsitzender Alexander Wehrle sowie Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. Ihnen wird von Teilen der Fans vorgeworfen, den Verein zunehmend in eine Richtung zu lenken, die den traditionellen Werten des VfB Stuttgart widerspricht. Besonders die Entscheidung, Marketingrechte langfristig an externe Partner zu verkaufen und das Clubumfeld stärker zu kommerzialisieren, stößt auf Widerstand.
„Der Verein gehört seinen Mitgliedern, nicht Investoren“
„Wir schätzen den sportlichen Erfolg, aber er darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass grundlegende demokratische Prinzipien im Verein ausgehöhlt werden“, erklärt ein Sprecher der Ultra-Gruppierung Schwabensturm 02 gegenüber der „Stuttgarter Morgenpost“. „Der VfB gehört seinen Mitgliedern, nicht Investoren oder Konzerninteressen.“
Besonders scharf kritisiert wird die zunehmende Entfremdung zwischen Vorstand und Fanszene. In den vergangenen Monaten sei laut Fanvertretern der Dialog abgebrochen, Gesprächsangebote ignoriert worden. Auch die Art und Weise, wie Entscheidungen im Verein getroffen würden, sei intransparent und undemokratisch.
Die Entscheidung, bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Herbst einen Antrag auf Satzungsänderung zu stellen, mit dem Ziel, Einflussrechte der Mitglieder weiter einzuschränken, habe „das Fass zum Überlaufen gebracht“, wie es aus Fanlagern heißt. Die Proteste seien daher kein kurzfristiger Affekt, sondern Ausdruck eines langfristig gewachsenen Missmuts.
Vereinsführung weist Vorwürfe zurück
Der Vorstand reagierte am Sonntag in einer schriftlichen Stellungnahme auf die Proteste. Darin betonte Alexander Wehrle, dass man den Dialog mit den Fans suche und weiterhin „den Spagat zwischen sportlichem Erfolg, wirtschaftlicher Stabilität und den Werten des Vereins“ schaffen wolle.
„Wir nehmen die Kritik ernst und laden die Fangruppen ein, erneut mit uns in den direkten Austausch zu treten. Der VfB ist und bleibt ein mitgliedergeführter Verein, auch wenn wir in der heutigen Fußballwelt wirtschaftliche Realität anerkennen müssen“, heißt es in der Erklärung.
Sportdirektor Wohlgemuth ergänzte, man dürfe den aktuellen sportlichen Aufschwung nicht durch interne Konflikte gefährden. „Diese Mannschaft hat Großes erreicht, und sie braucht die Unterstützung aller – auch der Fans.“
Gespaltene Fanbasis – und die Frage nach der Zukunft
Während die Ultras und andere organisierte Gruppen einen Rücktritt fordern, gibt es auch andere Stimmen unter den VfB-Anhängern. In sozialen Netzwerken melden sich zahlreiche Fans, die zwar Verständnis für die Kritik haben, den Zeitpunkt aber für unglücklich halten. „Jetzt, wo es sportlich so gut läuft, sollten wir zusammenstehen“, heißt es in vielen Kommentaren. Andere wiederum zeigen sich enttäuscht über die Kommunikationspolitik der Vereinsführung und fordern mehr Transparenz.
Die Debatte über die Rolle von Fans, wirtschaftlichem Einfluss und demokratischer Teilhabe im Profifußball ist nicht neu, bekommt beim VfB Stuttgart aber durch den sportlichen Erfolg eine besondere Dynamik. Wie es weitergeht, ist offen. Klar ist: Die Stimmung rund um den Neckar ist angespannt – trotz Tabellenplatz zwei.
Für die kommende Woche haben mehrere Fangruppen weitere Protestaktionen angekündigt. Ob es zu einem offenen Dialog oder einer Eskalation kommt, dürfte mit darüber entscheiden, ob der VfB seinen Weg als Einheit fortsetzen kann – oder ob der Graben zwischen Vorstand und Basis unüberwindbar.
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